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(J. R. R. Tolkien)


Tuesday, November 27, 2012

FAZ-Frank Schirrmacher über die Zukunft des Journalismus

Zukunft des Journalismus Das heilige Versprechen 

 
 
· Im Zeitalter des Internets kann jeder alles sein, Verleger, Lektor, Autor, Journalist. Jeder kann partizipieren, jeder Geld verdienen. Das ist das Mantra. Dass keine dieser Aussagen stimmt, ist offensichtlich. Und wenn sie trotzdem immer noch nachgeplappert werden, stellt sich die Frage: Wer profitiert eigentlich von dieser Ideologie? Und was bedeutet das für die Zeitungen?
 
© REUTERS
Algorithmus oder Redaktion: Letztlich geht es um die Entscheidung für ein Auswahlwerkzeug.
 
Oh, welch leuchtendes Morgenrot wurde hier verschlafen. Jeder Mensch hatte auf seinem Schreibtisch oder in seiner Tasche Geräte, die ihm mehr Kommunikationsmöglichkeiten gaben als dem amerikanischen Präsidenten noch vor zwanzig Jahren; ein paar Euro, und man wurde zum Fernsehstudio oder zum Verlag: Alles war möglich, sagten alle, aber alles wurde verschnarcht. Fast alles blieb Traum, Idee, Absicht, Strategie, fast alles lief gegen irgendwelche Wände und verschwand im Vergessen - ein Desaster, muss man sagen, oder auch: eine Traum-Botschaft, die einem jetzt, wo man wach wird, zu denken geben sollte.
 
Die Rede ist hier nicht von der Zeitungskrise. Wenn der große Pawlow-Automat öffentlicher Kommunikation nach der Insolvenz von „Frankfurter Rundschau“ und der Einstellung der „Financial Times Deutschland“ so viel von verpassten Chancen, Verschlafenheit, Krise und sogar von Untergang redet - all das nicht immer zu Unrecht, immer aber mit Rechthaberei-, dann ist es an der Zeit, einmal zu schauen, wer mit im Boot sitzt. Runden wir ab, zugunsten der Schläfer: zehn Jahre kommerzielles Internet, zehn Jahre Informationsökonomie, fünf Jahre Smartphone und mindestens zwanzig Jahre die dazugehörige Ideologie von Netzintellektuellen, die Botschaft also der Selbstermächtigung von jedem und jeder als Stimme öffentlicher Meinung und individueller Partizipation.

Was ist zum Beispiel in Deutschland aus dieser Gründungs- und Alles-ist-jedem-möglich-Euphorie geworden? Was stimmt jetzt überhaupt an all den Thesen über eine Technologie, die alle sozialen und ökonomischen Beziehungen verändern würde - und was davon ist nichts anderes als Silicon Valleys größter Werbecoup der Weltgeschichte?

Was die Propheten beschworen

Achtzig Millionen Deutsche, die über Nacht ihre eigenen Verleger, Drucker, Autoren werden konnten - welches Modell hat funktioniert? Wo ist der neue Pulitzer, Augstein, Suhrkamp? Wer hat profitiert? Wo gibt es das Blogger-, Startup-, Nachrichten- oder Kommunikationsmodell, das auch nur ansatzweise funktioniert? Was ist wirklich geschehen mit der „Demokratisierung von Information“? An Versuchen hat es, wie jeder weiß, nicht gemangelt. Ihr Scheitern ist Legion. Alternativmedien, für die seinerzeit sogar Journalisten wie der Kollege Prantl ihre Urgesteinshaftigkeit zur Verfügung gestellt haben, Debattenportale, Netzzeitungen.

Gewiss: Manche schaffen es, sich selbst und ein paar Leute unter den Bedingungen extremer Selbstausbeutung zu ernähren, und immer wieder erfährt man, wer gerade über crowd sourcing, Flattr oder Provisionen ein Projekt gestartet hat. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem großen Versprechen, das die Propheten der neuen Zeit wieder und wieder verkündeten: Von Adnation, einem Werbevermarkter für Blogs, bis zu Flattr (wo man freiwillig zahlt, was einem gefällt) funktionieren die meisten ökonomischen Modelle selbst in Special-interest-Segmenten nach kurzer Zeit nicht einmal in den eigenen Peer Groups.

Journalisten als Totengräber

Das sagt nichts über die Qualität dieser Projekte aus und spricht nicht gegen die teilweise eminenten intellektuellen und kreativen Potentiale, die sich dort artikulieren - der Grimme-Online-Preis ist ein Kataster hochinteressanter, aber meist ökonomisch total erfolgloser geistiger Kleinfabriken. Vielleicht weil einige glauben, jetzt helfe nur die Silberkugel und man würde erst reüssieren, wenn die anderen unter der Erde liegen, gibt es in diesem Bereich, der selber nie wirklich lebendig wurde, so viele Todeswünsche an die „traditionellen“ Medien. „Lass sie Zukunft fressen!“, hat der große amerikanische Publizist Thomas Frank diese in allen Branchen und in der Politik beliebte Strategie einmal genannt - das heißt: Behaupte von jeder neuen iPhone-Generation, dass sie die soziale Zukunft programmiert.

Niemand spielt dieses Spiel des technologischen Determinismus lieber als Journalisten. Der Kollege Wolfgang Blau etwa, Chef von „Zeit Online“, der dort niemals auch nur eine halbschwarze Zahl schrieb, aber von der Marke lebte, deren materiellen Grundlagen er permanent in Frage stellt, reist nun durch die Lande als Wiedergeburt des Neoliberalen: Der Markt hat entschieden, sagt der hochangesehene Mann, der ein praktisch weltweit funktionsunfähiges Marktmodell vertritt: Wir müssen damit leben, dass ganze Branchen und Berufe untergehen.

Rettung steht bereit: Ein auf Medienökonomie spezialisiertes Portal findet es mittlerweile nicht schlecht, wenn Konsumhersteller ihre eigenen Nachrichtenseiten produzieren: Dann kenne man wenigstens die Interessenkonflikte. Wir freuen uns schon, wenn Apple über die Arbeitsbedingungen in China berichtet oder Coca-Cola über die Segnungen der Globalisierung. Interessanter aber ist die seit Ende der neunziger Jahre gestellte Frage, wie es möglich geworden ist, einerseits politisch gegen neoliberalen Marktfetischismus zu protestieren, andererseits aber eine Praxis zu befördern, die ihn zum Naturgesetz der sozialen Physik macht.

Kevin Kellys Prognose

Tatsache ist: Die Informationsökonomie hat in ihrer heutigen Alpha-Version ausschließlich zum Entstehen industrieller Giganten geführt, zu Konzentrationsprozessen, die den Einzelnen immer häufiger zum Ausbeuter seines eigenen Ichs machen. Einzig die „kalifornische Ideologie“, die sogenannten „neuen Regeln für die neue Ökonomie“, die in allen Köpfen rumspuken und die maßstabsetzend der Heilige des Silicon Valley, Kevin Kelly, vor vielen Jahren verkündete, tarnen diese Wiederkehr des Neoliberalismus in Gestalt der Techno-Utopie.

Kellys Prognose, dass jeder von zu Hause seine 15 Megabyte Ruhm und seine sprudelnden Werbeeinahmen generieren könne, hat sich, und das ist gesetzmäßig in der neuen Ökonomie, weltweit nur für einige wenige erfüllt. Das Einzige, was einem auf Anhieb einfällt, ist das Internetprojekt der Millionärin Arianna Huffington, von AOL gekauft und dafür bekannt, dass es seinen Autoren keine Honorare zahlt.

Die Macht der Unternehmensgiganten

Wer also unter denen, die die Chance ihres Lebens hatten, konnte den technologisch-ökonomischen Imperativ erfüllen? Nimmt man ernst, was die Heiligen der Netzintellektuellen zwischen TED-Konferenz und Internet-Beratung (das einzig florierende Geschäftsmodell) seit Jahren prognostizieren und fordern, kann man nur sagen: Chance verschlafen. Wer einfach nur sagt, Verlage (und sie sind nur ein Symbol) hätten ihre Chance im Netz verschnarcht, kann genau das Gleiche über all die sagen, die von Anfang in ihm zu Hause waren.

Aber so zu reden, das hieße, das Spiel des billigen Hohns weiterzuspielen. Fragen wir lieber: Wenn wir schon keine neuen Medien bekommen haben, was haben wir stattdessen in der schönen neuen Informationsökonomie bekommen - nicht einmal im großen Maßstab, sondern im kleinsten der alltäglichen Kommunikation? Unternehmensgiganten, die ungefragt Bücher vom Lesegerät löschen (Amazon), die Buchtitel oder Zeitungsinhalte zensieren (Apple, Facebook) oder in ihren Suchergebnissen die eigenen Produkte bevorzugen, weil sie sich selber als Medien verstehen (Google).

Naomi Wolfs neues Buch „Vagina: eine neue Biographie“ wurde von Apples iBookstore in „V*****a“ umgeschrieben und erst nach heftigen Protesten in den Urzustand zurückversetzt. Evgeny Morozov hat in der „New York Times“ dieses und andere Beispiele gebracht und darauf hingewiesen, wie sehr die Informationsgiganten dabei sind, kulturelle Normen autoritär neu zu definieren, oft ohne dass es irgendeinem auffällt.

Statt Emanzipation

Auch die vom Silicon Valley vorausgesagte politische und soziale Selbstaufklärung des Menschen, der alle Informationen unter seinen Fingerkuppen hat, lässt medial noch auf sich warten. Partizipation beschränkt sich immer öfter auf Belohnungssysteme, die im Wesentlichen auf Empfehlungsbuttons hinauslaufen, permanente Plebiszite des Konsumenten und seiner „I like“- Befindlichkeit.
Die Tatsache, wie wenig gesehen wird, dass die Evolution der neuen Kommunikationstechnologien ihre eigenen emanzipatorischen Ideen praktisch unterläuft, ist das eigentlich Befremdliche der gegenwärtigen Debatte. Es wäre deshalb an der Zeit, endlich zu erkennen, dass wir nicht von neuen Technologien reden - wer, im Ernst, von Einzelpersonen über Verlage bis zu ganzen Staaten, sagt denn, er verweigere sich dem Netz? -, wir reden von einer neuen Ökonomie, die zu dem wird, was erstmals im Zeitalter Ronald Reagans fast religiös verkündet wurde: eine Ökonomie des Geistes.

Werbealgorithmen sind überall am Werk

Leider folgt sie nicht den Gesetzen, die Kevin Kelly formulierte. Nicht nur bei den Verlagen, in fast allen Bereichen geht es um das Verhältnis von Wert und Preis. Selbst kritische Köpfe vermögen immer seltener zu unterscheiden zwischen den legitimen Bedürfnissen des Konsumenten und der Tatsache, dass politische und kulturelle Werte mitsamt dem Inhalt des eigenen Kopfes zu Produkten dieses globalisierten Marktes werden. Netzkommunikation ist längst in der Phase, wo buchstäblich jedes Signal, das man sendet, Gegenstand einer Preisfindung, einer algorithmisch in Millisekundenschnelle ablaufenden Online-Auktion wird.

„You for Sale“ nennt das Natasha Singer in der „New York Times“: „Die Wirklichkeit sieht so aus“, zitiert sie einen ihrer Gesprächspartner, „wir wissen, eine Person ist ein Depp und gibt viel Geld für nutzlose Dinge aus. Anzeigenkunden werden mehr Geld dafür ausgeben, um diese Leute ins Ziel zu nehmen, und diese Leute sind nicht erfahren genug, um zu verstehen, was mit ihnen geschieht.“ Werbealgorithmen, das hat der Computerhistoriker George Dyson gezeigt, sind heute zusammen mit den Wall-Street-Algorithmen die mächtigsten digitalen Werkzeuge der Welt. Interessanter als die Frage, was das iPhone 100 kann, ist die Frage, welchen weiteren Aspekt sozialen Verhaltens Apple damit vermarkten kann.

Geld wird auf bewährte Weise verdient

Damit ist nichts anderes gesagt, als dass die Konfliktlinie nicht zwischen „alter“ und „neuer“ Technologie, zwischen Papier und Computer verläuft, sondern zwischen Institutionen. Die Art der Generierung von Einnahmen bei Google oder Facebook hat nichts Revolutionäres, sie ist durch und durch konventionell. Sie überträgt lediglich das, was beispielsweise Tetra-Pak mit Milchtüten tut, auf die Kommunikation: für jede Kommunikation ein kleiner Preis. Man kann jetzt darüber streiten, ob alles zum Marktplatz werden soll - aber man sollte zumindest über Marktplätze und Preise reden.
Die Verlage haben nicht vom Netz gelernt? Vielleicht nicht vom Netz, wie es seinen klugen Intelligenzen vorschwebt, aber sehr wohl vom Silicon Valley. Das Schlimme ist, schaut man beispielsweise auf die Sparmaßnahmen in Regionalzeitungen, dass Selbstausbeutung jetzt überall institutionalisiert zu werden beginnt. Von Apple lernen heißt siegen lernen! Wenn das magische iPhone von chinesischen Arbeitern in einer Charles-Dickens-Welt produziert wird, kann das auch mit Gedanken geschehen. Wer glaubt denn im Ernst, dass gerade ausschließlich auf Profite und Reflexe dressierte Verlagsunternehmen nicht begeistert von der Internetökonomie lernen könnten und noch Generationen blühen und gedeihen werden?

Das Buch zum nächsten Hype

Immer wieder hat unsere Zivilisation Wünsche und Hoffnungen in Werkzeuge projiziert. Noch sind es Bücher und Zeitungen. Aber man glaube nicht, sie beschränke sich auf Verlage. Chris Anderson, der uns die Idee vom „long tail“ schenkte, hat soeben ein neues Buch über die „Neue industrielle Revolution“ geschrieben (veröffentlicht nicht im Selbstverlag, sondern von Random House), in dem der nächste Hype verkündet wird: Es klappte nicht damit, dein eigenes Medium zu sein? Dann werde dein eigenes Möbelhaus, werde Baukonzern, Küchenhersteller. Das 3-D-Printing - Drucker, die in naher Zukunft ganze Gebäude ausdrucken können - wird aus jedem Menschen einen Industriellen machen kann. „Zurück!“, erklärt Anderson, aber nicht zur Natur, sondern von der Welt der Bits zur Welt der Atome.

Jeder könne eine Idee sofort zum Produkt machen, so wärmt er ein längst gesprochenes Versprechen wieder auf: „Dann kann man es mit einem Tastendruck in den globalen Markt von Milliarden von Menschen ,verschiffen‘.“ Die ökonomischen Sozialisierungseffekte solcher Wahnsinnsprognosen, die sich lesen, als ob sie für alle gelten, aber nur für ganz wenige funktionieren, sind evident. Wo jeder alles hat, um „Weltmärkte“ zu bedienen, gibt es nur einen oder eine Schuldige, wenn nicht eintritt, was versprochen wurde: man selbst. Falls die Ökonomen der Chicago-School, Milton Friedman an der Spitze, je geträumt haben: Das wäre ihr Traum gewesen.

Das Dilemma der Piraten

Dabei wissen wir: Die Technologie als „trojanisches Pferd“ - das hat nie funktioniert. Keiner hat das am lebenden Objekt besser bewiesen als die Harvard-Ökonomin Shoshana Zuboff, die die Auswirkungen digitaler Technologien in Unternehmen und Arbeitsumgebungen analysiert hat: Neue Technologien sind immer dem institutionellen Zwang zur Selbstreproduktion unterworfen. Die Piraten, die nach wie vor eines der spannendsten politischen Projekte unserer Zeit bleiben, erleben im Augenblick genau das: Die Technologie ist nicht in der Lage, die partizipativen und emanzipatorischen Prozesse auszulösen, die in der Betriebsanleitung versprochen wurden. Keiner der teilweise dramatisierten Skandale spricht gegen diese Partei als Partei; sie bilden nur die Effekthascherei einer Informationsökonomie ab, die damit begonnen hat, politische Informationen ebenso in der Aufmerksamkeitsökonomie zu auktionieren wie Anzeigen.

Jetzt dreht sich die Spirale institutionell immer weiter nach oben: Man will eine Antwort auf die Euro-Krise von der Partei. Ein Antwort zur Euro-Krise! Dabei müsste man dieser experimentellen Partei Fragen stellen (und sie müssten Antworten geben), die die ganze Gesellschaft voranbringen würden: Keiner weiß besser als die Piraten, was Hass in einer digitalen Gesellschaft ist, Gruppenzwang, Technohybris - Kritik also, nicht kurzfristige Belohnung durch Skandalisierungen wäre verlangt, und das heißt: eine Reflexion über den gesellschaftlichen Preis der neuen Technologien.

„Internet“-Revolutionen sind eine Mär

Es wäre schon viel gewonnen, wenn man damit aufhören würde, reine Marktmechanismen metaphysisch zu überhöhen. Und das betrifft nicht nur die Internet-Community, die es in Wahrheit gar nicht gibt, sondern auch die Journalisten, die geliebt und geklickt werden wollen und von Klicks sich ihre Themen vorgeben lassen. Dort, nicht in der Frage, ob Verlage, was gewiss auch wichtig ist, Content-APIs in ihre Webauftritte installieren, stellt sich die Frage, welchen Journalismus wir wollen.
Wenn man, wie Robert S. Eshelman es in der Zeitschrift „The Baffler“ getan hat, nachweist, dass der Arabische Frühling nicht von Twitter und Facebook ausgelöst wurde, sondern von sich über Jahre hinweg heimlich organisierenden Gewerkschaften, ist das, um dies gleich vorbeugend zu sagen, keine Kränkung des Smartphones oder von Facebook. Es stellt vielmehr die Frage, wie der internationale Journalismus zu solchen Verkürzungen in der Lage war - und jetzt kaum fähig scheint, über die Bemerkung des früheren ägyptischen Google-Managers Wael Ghonim nachzudenken, dass die „ägyptische Arbeiterklasse nicht über das Internet und Facebook erreicht wurde“: „Social Media spielte eine Rolle, ja. Aber dies war keine Internet-Revolution.“

Mediendebatte als Glaubenskampf

Nicholas Kristof, einer der Zentralpropheten der „New York Times“, der von Kairo bis Nordkorea überall die Demokratie durch Handys und Facebook siegen sah, ficht das nicht an. Nachdem alles schiefgegangen war, zog er seine Trumpfkarte. Viertklässler in Massachusetts hatten mit einer Online-Petition einen Hollywood-Giganten dazu gebracht, das Drehbuch eines Films zu verändern. Dies zeige, „wie neue Internet-Werkzeuge es ganz einfachen Leuten erlauben, einige der mächtigsten wirtschaftlichen und politischen Interessen zu besiegen - indem sie die Titanen mit den Online-Äquivalent des Teerens und Federns bedrohen“.

Das alles sind nur Beispiele einer Metaphysik, die die Debatte der Medien zu einem Glaubenskampf macht - statt zu einer Debatte über ökonomische Modelle, in der es um Interessen gehen müsste. Wenn Zeitungen, die nie Geld verdienten, untergehen, sagt das nichts aus über Zeitungen. Wenn Zeitungen, ob auf Papier oder im Netz, nicht mehr vermisst oder gebraucht werden, sind sie selber schuld. Aber wann wäre das je anders gewesen? Streitet das Land im einundzwanzigsten Jahrhundert ernsthaft über die Frage, ob man Dinge, die man liest, anfassen kann? Streiten wir über das Rascheln, wo doch jeder weiß, dass in einer Welt ohne Papier sofort eine Zeitung mit Papier eine Marktlücke ist?

Eine Überlebensfrage der Gesellschaft

Als wäre das die Frage. Als wäre die Frage nicht viel mehr, ob Journalisten den Hypes widerstehen oder weiterhin die Karikatur einer Branche abgeben wollen, die noch ihre eigene Krise zum Hype macht? Als gäbe es allen Ernstes einen ontologischen Unterschied zwischen - sagen wir: Bloggern und Journalisten und nicht etwa nur einen individuellen; und als säßen sie, abgesehen von denen, die von „10 Thesen über die Zukunft der Medien“ ihren Lebensunterhalt bestreiten, nicht im selben Boot. Zeitungen, das ist sicher, müssen ständige Einladungen an die Welt dieser Intelligenz sein, und es stimmt, dass dort ihr größter Lernbedarf besteht.

„Wie kann guter Journalismus überleben?“, fragt die Wochenzeitung „Die Zeit“ in ihrer neuesten Ausgabe. Das aber ist nicht die Frage. In einer Welt, in der man sich ausrechnen kann, welche Institutionen von der Atomisierung des öffentlichen Diskurses am meisten profitieren würden, wo Schattennetzwerke in einer Welt angeblicher Transparenz, wie Manuel Castells gezeigt hat, schneller wachsen als je zuvor, ist die entscheidende Frage: Wie kann eine Gesellschaft ohne guten Journalismus überleben? Jetzt, wo sich leider auch immer mehr Journalisten sich ihre sozialen Prognosen vom Silicon Valley und der Wall Street schreiben lassen, riskieren wir eine ganz einfache und ebenso gelassene Vorhersage: gar nicht.

 

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