Islamophober Film
Mist bleibt Mist

Markus Spillmann
Es sind fast exakt sechs Jahre, die zwischen der Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. über Glaube und Vernunft und der Youtube-Verbreitung von «Innocence of Muslims» liegen. Die zwei Ereignisse trennen nicht nur Jahre, sondern auch in jeder Hinsicht inhaltliche Güte und spirituell-gesellschaftliche Intention. In beiden Fällen aber gleichen sich die Reaktionsmuster: Protest, Gewalt, Intoleranz und Sanktionsdrohungen.
Es ist mit Blick auf die damalige Aufregung bemerkenswert, wie ungestört der Besuch des Kirchenführers am letzten Wochenende in Libanon verlief – als fast zeitgleich Horden wütender Muslime in Kairo, Khartum, Sanaa oder Benghasi westliche Institutionen angriffen und teilweise verwüsteten. Vordergründig werden diese Gewalteruptionen mit dem kruden Machwerk des in Amerika ansässigen Hobby-Filmemachers Nakoula B. Nakoula alias Sam Bacile begründet. Dessen Blasphemie ist ein Ärgernis auch für säkulare Gemüter. Der Islam wird – einmal mehr – auf Bärte, Schwerter, Blut und Koranzitate reduziert. In Pappmaché inszeniert, gewürzt mit sexuellen Anzüglichkeiten und homophoben Seitenhieben gegen den Propheten, ist die Klischierung weder dadaistisch originell noch dient sie der Provokation. Mist bleibt Mist.
Genau deshalb sollte man dem Filmchen die Qualität vollumfänglich absprechen, relevant für die Gefühlswelt einer ganzen Glaubensgruppe zu sein. Alles andere stünde in groteskem Missverhältnis zur Bedeutung jener heiklen, aber klug gesetzten Textpassage des Papstes in Regensburg.
Brandsätze warfen zum Glück damals wie heute nur einige wenige, und die meisten der auffallend jungen Randalierer haben von dem, was von einer Laientruppe sinnlos inszeniert worden ist, keine Sequenz gesehen. Ihr gewaltsamer Protest ist genauso inszeniert wie fehlgeleitet. Er gleicht der politischen Gegenagitation im Namen der Würde des Gläubigen, um die es den Drahtziehern hinter den Kulissen gar nicht geht – zumal religiöse Gefühle auf alle Seiten verletzt werden. Sei dies in unzähligen Hassvideos islamistischer Zellen im Internet, bei Aussagen führender Geistlicher und Politiker im Nahen Osten oder unverhohlen in rechtsnationalistischen und xenophoben Pamphleten in Europa, ganz egal, ob sich diese gegen Türken, «den Araber» oder pauschal gegen Ausländer richten.
Es gehört zum Reflex aufgeklärter Demokratien liberalen und säkularen Zuschnitts, allen voran der deutschen, sofort über den Zwiespalt zwischen künstlerischer Provokation, Meinungsfreiheit und der Wahrung des religiösen Friedens zu disputieren. Dabei wird ebenso reflexartig die Demut vor den Gefühlen der Betroffenen eingefordert, als seien diese etwa bei den Ultras aus den Fussballklubs in Kairo monokausal zu verordnen. Politische Korrektheit, geschichtliche Erfahrung – als Opfer und Täter etwa gegenüber dem Judentum – und Bauchgefühl geben zudem vor, wie tolerant Glaubensfragen und Minderheitenschutz ausgelegt werden.
Salman Rushdie galt es als herausragender Schriftsteller für seine «Satanischen Verse» gegen die Fatwa der Mullahs zu schützen. Bei den durch «Jyllands Posten» 2005 erstveröffentlichten Mohammed-Karikaturen waren die Zweifler, ob das «geht», wohl bereits in der Mehrheit. Beim jüngsten Schund aus Amerika sind Stimmen, die dem Pamphlet den Status der Satire und damit das Recht zur Ausstrahlung zubilligen, doch eher selten.
Nakoulas Werk aber wird so enden, wie es aufgetaucht ist: irrlichternd in den Weiten des Internets.
(c) NZZ
Gezielte Instrumentalisierung
Der Pontifex hatte damals an seiner Alma Mater eher beiläufig, wenn auch bewusst «politisch unkorrekt», aus der islamkritischen Streitschrift des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos zitiert, um für eine Verbindung zwischen (christlicher) Religion und Vernunft (und damit Gewaltlosigkeit) zu werben. Es war der Versuch, nach dem Fanal des 11. Septembers der religiösen Annäherung ein gedanklich-konfessionelles Fundament zu geben. Der Papst aber erntet unter Muslimen Protest und Gewalt, auch, weil seine Gegenrede zur populistischen These des «Zusammenpralls der Kulturen» vom Vatikan kaum erläutert wurde.Es ist mit Blick auf die damalige Aufregung bemerkenswert, wie ungestört der Besuch des Kirchenführers am letzten Wochenende in Libanon verlief – als fast zeitgleich Horden wütender Muslime in Kairo, Khartum, Sanaa oder Benghasi westliche Institutionen angriffen und teilweise verwüsteten. Vordergründig werden diese Gewalteruptionen mit dem kruden Machwerk des in Amerika ansässigen Hobby-Filmemachers Nakoula B. Nakoula alias Sam Bacile begründet. Dessen Blasphemie ist ein Ärgernis auch für säkulare Gemüter. Der Islam wird – einmal mehr – auf Bärte, Schwerter, Blut und Koranzitate reduziert. In Pappmaché inszeniert, gewürzt mit sexuellen Anzüglichkeiten und homophoben Seitenhieben gegen den Propheten, ist die Klischierung weder dadaistisch originell noch dient sie der Provokation. Mist bleibt Mist.
Genau deshalb sollte man dem Filmchen die Qualität vollumfänglich absprechen, relevant für die Gefühlswelt einer ganzen Glaubensgruppe zu sein. Alles andere stünde in groteskem Missverhältnis zur Bedeutung jener heiklen, aber klug gesetzten Textpassage des Papstes in Regensburg.
Brandsätze warfen zum Glück damals wie heute nur einige wenige, und die meisten der auffallend jungen Randalierer haben von dem, was von einer Laientruppe sinnlos inszeniert worden ist, keine Sequenz gesehen. Ihr gewaltsamer Protest ist genauso inszeniert wie fehlgeleitet. Er gleicht der politischen Gegenagitation im Namen der Würde des Gläubigen, um die es den Drahtziehern hinter den Kulissen gar nicht geht – zumal religiöse Gefühle auf alle Seiten verletzt werden. Sei dies in unzähligen Hassvideos islamistischer Zellen im Internet, bei Aussagen führender Geistlicher und Politiker im Nahen Osten oder unverhohlen in rechtsnationalistischen und xenophoben Pamphleten in Europa, ganz egal, ob sich diese gegen Türken, «den Araber» oder pauschal gegen Ausländer richten.
Es gehört zum Reflex aufgeklärter Demokratien liberalen und säkularen Zuschnitts, allen voran der deutschen, sofort über den Zwiespalt zwischen künstlerischer Provokation, Meinungsfreiheit und der Wahrung des religiösen Friedens zu disputieren. Dabei wird ebenso reflexartig die Demut vor den Gefühlen der Betroffenen eingefordert, als seien diese etwa bei den Ultras aus den Fussballklubs in Kairo monokausal zu verordnen. Politische Korrektheit, geschichtliche Erfahrung – als Opfer und Täter etwa gegenüber dem Judentum – und Bauchgefühl geben zudem vor, wie tolerant Glaubensfragen und Minderheitenschutz ausgelegt werden.
Salman Rushdie galt es als herausragender Schriftsteller für seine «Satanischen Verse» gegen die Fatwa der Mullahs zu schützen. Bei den durch «Jyllands Posten» 2005 erstveröffentlichten Mohammed-Karikaturen waren die Zweifler, ob das «geht», wohl bereits in der Mehrheit. Beim jüngsten Schund aus Amerika sind Stimmen, die dem Pamphlet den Status der Satire und damit das Recht zur Ausstrahlung zubilligen, doch eher selten.
Fehlendes Verantwortungsbewusstsein
Immerhin ruft die Debatte in Erinnerung, dass Meinungsfreiheit immer auch mit Verantwortung verbunden sein müsste und «Vernunft» als Ergebnis von Aufklärung und Demokratie in unserem zunehmend hedonistisch-libertären Gesellschaftsverständnis keinen Freipass für Respekt- und Achtlosigkeit darstellen kann. Umgekehrt aber muss und darf der islamischen Welt angemahnt werden, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit religiösen Gefühlen auch immer bedeutet, zwischen Relevantem und Unwichtigem zu unterscheiden. Der Papst sprach relevant. Mit seinen Worten muss in der islamischen Welt sehr wohl gerungen werden – freilich nicht mit Brandsätzen und Schlägertrupps, sondern mit Verstand und klugen Argumenten.Nakoulas Werk aber wird so enden, wie es aufgetaucht ist: irrlichternd in den Weiten des Internets.
(c) NZZ
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